Hätte, hätte Fahrradkette

Mittwoch, der 14. November 2018

Eigentlich hätte im Kapitalanlageuniversum in Deutschland alles so schön sein können. Am 3. Januar 2018 ist die Umsetzung der Richtlinie 2014/65/EU – kurz MiFID II – mit dem 2. Finanzmarktnovellierungsgesetz (FiMaNoG) in Kraft getreten. Das Gesetz enthält eine komplette Neufassung des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG).  Was 2009 beim G-20 Gipfel der Staatschefs in Pittsburgh angestoßen wurde, startet nun als neue Stufe des Anlegerschutzes, so die aufsichtsführende Behörde BaFin in ihrer Pressemitteilung vom selben Tag.

MiFID II im Crash-Kurs

Hersteller von Kapitalanlageprodukten müssen sich nun von Beginn Gedanken über den Zielmarkt machen. Sie müssen ferner offenbaren, was das Produkt kostet. Komplett. Vertriebe müssen prüfen, ob ihre Kunden zum Zielmarkt passen. Zudem müssen sie klar sagen, was sie am Produkt verdienen. Anstatt ein Beratungsprotokoll zu fertigen, gibt’s nun Geeignetheitserklärungen für den Kunden. Und wenn der Aufsicht das Produkt nicht passt, kann es verboten werden.

Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn es nicht Deutschland wäre

Das Stottern beim Anfahren der neuen Regelungen, die Unsicherheit bei der Anwendung durch die Banken, geschenkt. Das war zu erwarten. Aber Deutschland ist bekannt dafür, eine Sonderrolle in der EU zu spielen. Gebührenfinanzierter Rundfunk, Sparkassen und KG-Fonds sind nur drei Beispiele, bei denen unsere europäischen Nachbarn die Stirn runzeln.

Von wegen Level-Playing-Field

Schön einheitlich uneinheitlich sind wir nämlich auch beim Vertrieb von Kapitalanlagen. Auf der einen Seite die Banken, auf der anderen Seite die bankenunabhängigen freien Vertriebe. Für die ersteren gilt das Kreditwesengesetz und Wertpapierhandelsgesetz. Für letztere die Gewerbeordnung und die Finanzanlagenvermittlerverordnung, kurz FinVermV. Um dem Ganzen die Spitze aufzusetzen:  Banken werden von der BaFin beaufsichtigt, freie Berater von den Industrie- und Handelskammern und Gewerbeämtern.

Wann steigt weißer Rauch auf?

Die FinVermV regelt in etwa das, was das WpHG für die Bankberater regelt. Eigentlich hätte ein Update der FinVermV parallel zu den neuen MiFID II-Regelungen erarbeitet werden sollen. Aber Fehlanzeige. Es dauerte bis November 2018 bis ein erster Entwurf zur Diskussion gestellt wurde. Also mehr als 11 Monate nach Inkrafttreten der Neuregelungen aus dem WpHG. Zuständig für die Erstellung der neuen FinVermV ist das Bundeswirtschaftsministerium. Das WpHG wird im Bundesfinanzministerium geschrieben. Dazwischen die Verbände von Bankindustrie und freien Beratern. Die einen wollen einen Gleichklang der Regelungen, die anderen fürchten den Exodus durch überbordende Regelungen.

Alle Macht für eine

Die SPD hat in den Koalitionsverhandlungen massiv mit sich gerungen, welche Forderungen in einer großen Koalition die Handschrift der SPD tragen sollen. Als Partei der „kleinen Leute“, zu denen auch Privatanleger gehören, kann sich die SPD nun auf die Fahne schreiben, den aufsichtsrechtlichen Flickenteppich in Deutschland zu einen. Alle Aufsicht für Anlageberater der BaFin. Einheitliche Aufsicht für alle. Aber bedeutet dies auch einheitliche Regeln für alle?

Wird Gleiches gleich behandelt?

Einerseits müssen freie Vermittler keine Zielmarktbestimmung vornehmen. Sie können sich vielmehr an den Vorgaben der Produktgeber orientieren und müssen nicht noch einmal selbst bestimmen, auf welche Kundengruppen ein bestimmtes Produkt generell passt.

Andererseits werden freie Berater verpflichtet, Interessenkonflikte zu vermeiden und bestehende offenzulegen. Ebenso wird das Taping, die Aufzeichnungspflicht von Verkaufsgesprächen, verbindlich. Das ist Aufwand, der zu Buche schlägt. Hinzu kommt: Bisher ist keine Übergangsregelung vorgesehen.

Struck’scher Grundsatz

Die Lobbyverbände arbeiten und sind zur Stellungnahme aufgerufen. Am Ende wird wie für Gesetze auch bei Verordnungen wohl der Struck’sche Grundsatz gelten: Kein Gesetz verlässt den Bundestag, wie es hineingekommen ist. So auch die Verordnung.

Bis es dazu kommt, bleibt den Betroffenen nur eines: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Vermögensschadenhaftpflichtversicherer oder Rechtsanwalt. Oder: Vorbereitung ist alles.

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