EU Sozialanleihen kommen!

Dr. Liesa Plappert,
Dr. Nina Scherber
Donnerstag, der 22. Oktober 2020

Die Europäische Kommission hat am 7. Oktober angekündigt, dass sie künftig im Rahmen des sog. SURE-Instruments Anleihen mit einem Volumen von bis zu 100 Mrd. EUR als Sozialanleihen ausgeben wird. Das Emissionsprogramm ist in ein Rahmenwerk für Sozialanleihen (EU SURE Social Bond Framework) eingebettet. Das damit verbundene Signal ist deutlich: Der Markt für ESG-Finanzprodukte, der bislang vor allem auf ökologisch nachhaltige Anlagen ausgerichtet ist, erweitert sich um die Komponente „S“ (Social).

Die ersten beiden Anleihen zur Finanzierung der Corona-Hilfen wurden diese Woche begeben und sind auf großes Interesse bei Investoren gestoßen. Die Papiere mit einem Volumen von zusammen 17 Milliarden Euro wurden von Anlegern mit 233 Milliarden Euro nachgefragt und waren damit 14-fach überzeichnet – ein Rekord für eine EU Anleiheemission.

Hintergrund

Im Zuge der COVID‐19-Pandemie hat die EU bereits am 19. Mai 2020 eine Verordnung erlassen, die das sog. SURE (Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency) Instrument („SURE-VO“) ins Leben gerufen hat. Das SURE-Programm soll Mitgliedstaaten der EU vorübergehend finanziell dabei unterstützen, Arbeitslosigkeitsrisiken zu mindern, die im Zusammenhang mit dem Covid-19-Ausbruch stehen. Es stellt Mitgliedstaaten günstige Kredite der EU zur Verfügung, insbesondere für Maßnahmen im Bereich der Kurzarbeit oder damit vergleichbaren Instrumenten.

Das SURE-Programm ist mittlerweile das vierte Finanzhilfeprogramm der EU, neben den bisher bestehenden Programmen des Finanzstabilisierungsmechanismus (European Financial Stabilisation Mechanism – EFSM), des Zahlungsbilanzprogramm (Balance of Payments Programm – BoP) und der Makrofinanzhilfe (Macro-Financial-Assistance – MFA), mit einem Volumen von insgesamt ca. 52 Mrd. EUR.

Das SURE-Instrument

Das SURE-Instrument ist ein Teil der Strategie, die die Kommission zur Abfederung der sozioökonomischen Folgen der Pandemie verfolgt. Die im Rahmen der SURE-Anleihen aufgenommenen Mittel werden in Form von Darlehen an die begünstigten Mitgliedstaaten ausgezahlt, um sie bei der Bewältigung der Kosten zu unterstützen, die durch die in der Corona-Pandemie getroffenen staatlichen Maßnahmen entstehen. Die Darlehen werden durch ein System freiwilliger Garantien abgesichert, die die Mitgliedstaaten gegenüber der EU abgeben. Die SURE-VO regelt das Verfahren der Antragsstellung, Rahmenbedingungen der Darlehensvergabe sowie Berichtspflichten der Mitgliedstaaten.

Das SURE Social Bond Framework

Mit der Ausgestaltung der SURE-Anleihen als social bonds gibt die EU – diesmal nicht in der Rolle als Regulator, sondern als Marktteilnehmer – einen weiteren Impuls für die Nachhaltigkeits-Transformation des europäischen Finanzmarkts.

Der von der Kommission vorgestellte EU Social Bond Framework („SB Framework“) gibt einen wegweisenden Rahmen für Sozialanleihen vor. Mit dem SB Framework will die Kommission insbesondere Investoren anwerben, die ihr Kapital gezielt in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environment, Social, and Governance – ESG) anlegen wollen. Der SB Framework soll Anlegern zeigen, wie die im Rahmen der SURE-Anleihen aufgenommenen Mittel für die Abmilderung der sozialen Auswirkungen der COVID‐19-Pandemie und ihrer Folgen in der gesamten EU – und damit zur Finanzierung gezielter sozialpolitischer Maßnahmen – verwendet werden. Der SB Framework folgt den von der ICMA entwickelten vier Kernkomponenten für Sozialanleihen (ICMA Social Bond Principles – SBS: (1) Use of Proceeds, (2) Process for Project Evaluation and Selection (3) Management of Proceeds, (4)  Reporting) und wurde extern bewertet.

Ferner soll der SB Framework zur Weiterentwicklung des Markts für Sozialanleihen beitragen – einem Anliegen, das im Rahmen der europäischen Initiative für ein nachhaltiges Finanzwesen verfolgt wird. Insbesondere sollen eine transparente Verwendung der Erlöse gefördert und gleichzeitig der soziale Impact der finanzierten zugrunde liegenden Ausgaben gemessen werden.

Zu diesem Zweck sieht die SURE-Verordnung vor, dass die begünstigten Mitgliedstaaten darüber zu berichten haben, wie sie die aufgenommenen Mittel ausgegeben haben (vgl. Art. 13 Abs. 2 SURE-VO). Auf diese Weise sollen Anleger nachvollziehen können, dass die von ihnen in EU SURE Bonds investierten Mittel auch tatsächlich – wie im SB Framework dargelegt – zur Finanzierung sozialpolitischer Maßnahmen verwendet wurden.

Wie geht es weiter?

Bislang werden 16 Mitgliedstaaten im Rahmen des SURE-Instruments finanzielle Unterstützung erhalten (ein weiteres Antragsverfahren von Ungarn läuft derzeit). Die Mitgliedstaaten können weiterhin förmliche Anträge auf Unterstützung im Rahmen des SURE-Instruments stellen. Die erste Tranche der SURE-Anleihen soll in der zweiten Oktoberhälfte am Markt platziert werden.

In regulatorischer Hinsicht möchte die Kommission ihre EU SURE Social Bonds zwar weder als Vorgriff auf eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der TaxonomieVO noch als eine Maßnahme im Rahmen des EU Green/Social Bond Standard verstanden wissen. Die Ankündigung der EU SURE Social Bonds ebenso wie die angekündigte Ausweitung des SB Frameworks auf potentielle grüne, soziale und nachhaltige EU-Anleihen deuten jedoch auf eine baldige Ausweitung des Anwendungsbereichs der TaxonomieVO auf soziale Ziele hin. Ein weiterer Schritt in diese Richtung könnte im Rahmen des von der Kommission bis zum 31. Dezember 2021 vorzulegenden Berichts zu notwendigen Bestimmungen für die Einbeziehung von anderen (nicht klimabezogenen) Nachhaltigkeitszielen – wie sozialen Zielen – in den Anwendungsbereich der TaxonomieVO getan werden (vgl. Art. 26 Abs. 2 lit. b TaxonomieVO).

 

Dr. Liesa Plappert

Dr. Liesa Plappert

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